Eine zufällige Begegnung zwischen einem Münchner Uiguren und dem Kanzler der Einheit am Viktualienmarkt

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München – Im Jahr 1989, inmitten einer Zeit des Umbruchs, begegneten sich Ali Abdullah, einer der ersten uigurischen Migranten in der Bundesrepublik Deutschland, und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl am Viktualienmarkt.

Eines Tages, während er im Inneren eines Käsestandes am Münchner Viktualienmarkt seinen Aufgaben nachging, vernahm Abdullah plötzlich laute Stimmen, die den Namen des Bundeskanzlers riefen. Aufmerksam trat er nach draußen und sah Kohl, umringt von Marktbesuchern, Journalisten, Fotografen und Sicherheitskräften. Der Kanzler näherte sich seiner Theke.

Abdullah bot Kohl ein Stück Bavaria Blu Käse zum Probieren an, und er kaufte ihm davon etwas ab. Die Abendzeitung veröffentlichte einen Artikel darüber, der zwei Fotos dieses denkwürdigen Moments enthielt. Darin wurde auch auf seine Herkunft eingegangen.

Auf Nachfragen eines Journalisten erklärte Abdullah, während er im Rampenlicht stand, dass er ein „türkischer Gastarbeiter“ sei, da er sich auf seine türkische Staatsangehörigkeit bezog.

Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 war die uigurische Gemeinschaft in München weitgehend unbekannt und zählte, einschließlich ihrer Familien, nur etwa zwei Dutzend Personen. Vor diesem Hintergrund entschied Abdullah seine uigurische Identität, auf die er stolz war, in diesem Moment nicht zu erwähnen, um Missverständnisse und mögliche Irritationen zu vermeiden.

Erst ab 2019 führten das steigende Interesse der deutschen Öffentlichkeit und das Bewusstsein für das uigurische Volk zu einer größeren Sichtbarkeit der uigurischen Exil-Gemeinschaft. Heute leben in Deutschland etwa 1.500 Uiguren, wobei nahezu die Hälfte von ihnen in München ansässig ist.

Ali Abdullah wurde 1948 in der damaligen Republik Ostturkestan, in der Stadt Yarkent, geboren. Seine Familie, die als Großgrundbesitzer und Kaufleute häufig zum Handel in andere Länder reiste, floh 1949 vor der drohenden Annexion durch die kommunistische Republik China und suchte zunächst in den benachbarten Ländern Zuflucht.

Ende der 1960er Jahre kam Abdullah nach Westdeutschland, wo er sich als einer der ersten Uiguren in München niederließ. Zu dieser Zeit lebten in der Bundesrepublik Deutschland nur etwa ein halbes Dutzend Uiguren. Kurz darauf lernte er seine zukünftige Ehefrau kennen. Seine Verlobungsfeier wurde von Erkin Alptekin ausgerichtet, dem Sohn des Premierministers der Ostturkestanischen Republik, Isa Yusuf Alptekin, der von 1946 bis zur Ausrufung der kommunistischen Republik China im Jahr 1949 im Amt war. Erkin Alptekin war 10 Jahre alt, als er mit seiner Familie über den Himalaya in Richtung Kaschmir zunächst nach Indien floh. Nachdem er nach Westdeutschland gezogen war, wurde er zum Anführer der uigurischen Diasporagemeinschaft.

Als Ali Abdullah Bundeskanzler Helmut Kohl traf, überkamen ihn gemischte Gefühle. Einerseits verspürte er Freude, dem Regierungschef der deutschen Nation zu begegnen, die sich im Aufbruch zur Wiedervereinigung befand. Gleichzeitig bestärkte diese Begegnung in ihm als Uiguren die Hoffnung und den Glauben, dass auch seine eigene Nation eines Tages wieder frei leben könnte.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Ali Abdullah dafür, dass er mit uns seine Geschichte geteilt und uns die Fotos von diesem besonderen Moment zur Verfügung gestellt hat.

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