Podiumsgespräch im NS-Dokumentationszentrum: Über die erschütternde Auslöschungspolitik in Ostturkestan – Frauen und Kinder im Fokus der Xinjiang Police Files
München
Am Abend des 24. Oktober 2024 fand im NS-Dokumentationszentrum die Podiumsveranstaltung „Wie das chinesische KP-Regime Uigurinnen und Frauen anderer Ethnien verfolgt“ statt. Teil der Runde waren die Menschenrechtsverteidigerin Sayragul Sauytbay, die aus dem schwedischen Exil angereist war, die Autorin Alexandra Cavelius und der Investigativjournalist Fabian Mader.
Sayragul Sauytbay, die für den Friedensnobelpreis 2023 nominiert wurde, berichtete eindringlich über die dramatische Lage von Frauen und Kindern, insbesondere den Angehörigen des uigurischen Volkes sowie anderen nicht-chinesischen Ethnien wie dem kasachischen, kirgisischen, usbekischen und tadschikischen Volk. Diese einheimischen Gruppen stehen unter einem drakonischen „Sonderrecht“, das die chinesische Regierung durch eine perfide politische Agenda legitimiert. Die Zuhörerschaft erfuhr aus erster Hand, wie sich diese Politik der Auslöschung auf die betroffenen Menschen auswirkt.
Fabian Mader moderierte die Veranstaltung und brachte seine Erfahrungen als Mitwirkender bei der Aufdeckung der „Xinjiang Police Files“ im Jahr 2022 ein.
HINTERGRUND
Im Frühjahr 2018 flüchtete Sayragul Sauytbay, eine ehemalige Staatsbeamtin aus Ostturkestan (Uigurien), nach Kasachstan, nachdem sie den Aufenthalt im Umerziehungslager überlebt hatte. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) befürchtete, dass sie die schweren Verbrechen, die sie bis heute verübt, ans Licht der Weltöffentlichkeit bringen könnte. Daher beantragte sie ihre Rückführung nach China, die jedoch durch das Eintreten von Politikern und Menschenrechtsorganisationen verhindert werden konnte.
Obwohl Sayragul Sauytbay bereits vor ihrem Leben im Exil unter Androhung der Todesstrafe einen Vertrag mit der KPCh unterschrieben hatte, der ihr untersagte, über die Vorgänge in den Lagern zu sprechen, wurde sie zur ersten Person, die im Ausland über ihre erschütternden Erfahrungen berichtete.
Die Autorin Alexandra Cavelius wurde durch eine Meldung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) im Jahr 2019 auf Sayragul Sauytbay aufmerksam und erkannte, dass sie eine bedeutende Stimme war, die „vieles zu sagen hatte“.
In ihrem Buch „Die Kronzeugin“, das 2020 erschien, veröffentlichte Alexandra Cavelius Sayragul Sauytbays Augenzeugenbericht. Zwei Jahre später folgte das gemeinsame Werk „China Protokolle“, das fünf Zeitzeugenberichte und politische Schwerpunktanalysen enthielt.
WÄHREND DER VERANSTALTUNG
las Alexandra Cavelius bewegende Passagen aus beiden Büchern, wie diese vor:
„Kaum hatte ich den ersten Fuß in den Raum gesetzt, erhoben sich 56 Menschen mit klirrenden Fußketten und riefen: ,Wir sind bereit!’ Alle trugen blaue Hemden und Hosen. Ihre Köpfe waren kahl rasiert. Die Haut totenbleich. Vor der Tafel musste ich strammstehen, seitlich flankiert von zwei Wachen mit automatischen Schnellfeuerwaffen. Kurz geriet ich ins Schwanken, so unvorbereitet und so heftig hat mich dieser Anblick getroffen.“
(Textausschnitt aus „Die Kronzeugin“ über Sayragul Sauytbays ersten Unterrichtstag in einem der sogenannten „Berufsbildungszentren“, wie die Kommunistische Partei diese Umerziehungslager nennt.)
Sayragul Sauytbay erklärte dem Publikum, dass unter den 56 Inhaftierten das jüngste Opfer ein 13-jähriges Mädchen und das älteste eine 84-jährige Hirtin war. Sie schilderte die extreme Angst und den verzweifelten Versuch aller Gefangenen, den strengen Regeln im Lager zu folgen, in der Hoffnung, willkürlichen Bestrafungen und brutalen Folterungen zu entkommen.
Auf die Frage von Fabian Mader, ob ihr der Status als Staatsbeamtin im Lager Schutz geboten hätte, antwortete sie: „Niemand, der ein Angehöriger des uigurischen, kasachischen oder eines anderen ethnischen Volkes ist, ist im Lager sicher,“ da das chinesische KP-Regime gezielt ihre allmähliche Vernichtung anstrebt, um den alleinigen Besitzanspruch über die neu eroberten ressourcenreiche Gebiete zu erlangen.
Obwohl Sayragul Sauytbay als Ausbilderin im Umerziehungslager tätig war, wurde sie zur Strafe gefoltert, weil sie einer älteren Insassin, die um Hilfe bat, erlaubt hatte, sich ihr zu nähern.
XINJIANG POLICE FILES
Fabian Mader wies darauf hin, dass die erschütternden Bilder aus den Xinjiang Police Files – internen Polizeiakten, die visuelle Beweise für die Menschenrechtsverletzungen in ‚Xinjiang‘ liefern – mit Sayragul Sauytbays Schilderungen aus den Lagern übereinstimmen.
Sayragul Sauytbay unterstrich die dringende Notwendigkeit, den Aufstieg Chinas zur zukünftigen Supermacht zu stoppen, insbesondere im Kontext der Vernichtungspolitik gegen die Bevölkerung Ostturkestans. In einem eindringlichen Appell forderte sie die deutsche Bundesregierung auf in Zusammenarbeit mit westlichen Staaten und der internationalen Gemeinschaft umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um entschieden gegen die genozidale Politik Chinas vorzugehen. Sie betonte auch, dass die Ostturkestan- Frage keineswegs nur die Region betrifft, sondern die gesamte Welt in die Verantwortung zieht, damit Frieden gefördert werden könne : „Der Frieden auf der Welt muss seinen Anfang in Ostturkestan nehmen.“
Ein Video der gesamten Veranstaltung ist über den Kanal des NS-Dokumentationszentrums auf YouTube verfügbar.