Verlust der Seelengefährtin: Hidayet Ruzis Zeugenaussage über seine Ehefrau im chinesischen Konzentrationslager

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Hidayet Ruzi ist ein junger uigurischer Mann, der zur Zeit in Österreich lebt. Er studierte an der Al-Azhar Universität in Kairo, wo er zusammen mit seiner Ehefrau Ayitila lebte bevor er im Jahr 2017 aus Ägypten fliehen musste.

 

Uyghur Times

Juni 18, 2020

 

 

Übersetzt vom Englischen ins Deutsche durch Uigur Zeiten

Juni 29, 2020

 

Hidayets Frau Ayitila Saidula hält ihre Tochter Ghufran auf dem Arm.


Hidayet Ruzi ist ein junger uigurischer Mann, der zur Zeit in Österreich lebt. 

 

Er studierte an der Al-Azhar Universität in Kairo, wo er zusammen mit seiner Ehefrau Ayitila lebte bevor er im Jahr 2017 aus Ägypten fliehen musste.


In den letzten Jahrzehnten wurde Ägypten unter uigurischen Muslimen als wichtiges Bildungsland angesehen. Bis 2017 studierten mehrere Tausend uigurische StudentInnen in Ägypten.

 

Im Laufe des Jahres 2016 begannen die chinesischen Behörden unter unterschiedlichen Vorwänden die StudentInnen dazu aufzufordern, zurückzukehren. 

 

Im Rahmen einer Großrazzia trieb die ägyptische Polizei, weil die chinesische Regierung es verlangte, alle uigurischen StudentInnen aus Restaurants und Apartments in Kairo zusammen. Mehrere Dutzende uigurische StudentInnen wurden kurz darauf vermisst. 

 

Es wird angenommen, dass sie an China übergeben wurden. Mehrere Familien und Geschwister wurden infolgedessen durch willkürliche Festnahmen auseinandergerissen.

 

Diese Großrazzia hat dazu geführt, dass es seitdem keine uigurischen StudentInnen mehr in Ägypten gibt.

 

Hidayet erzählte uns seine Geschichte über den Verlust seiner Seelengefährtin. Seine Geschichte darüber hat er eigens verfasst. Sie wurde von der Uighur Times aus dem Uigurischen ins Englische übersetzt.

 

Hidayet Ruzi (als Niyazi Ruzi in seinem chinesischen Reisepass

registriert ) lebt derzeit in Wien, Österreich.

 

„Mein Name ist Niyazi Ruzi. Meine Adresse in der Heimat lautet:
Nr.01 Gruppe: Nr.02 Stadt: Nr.20, Dorf Beshtugmen, Stadt Aksu. 

 

Ayitila Saidula und ich reisten 2012 nach Ägypten, um dort zu studieren. Ayitila Saidula stammt aus dem Landkreis Beysaq , im oberen Atush / Stadt Atush. Ayitila und ich heirateten in Ägypten. Wir hatten bis Juni 2016 an der Al-Azhar-Universität studiert. 

 

Im April 2016 kontaktierte das regionale Polizeipräsidium der Stadt Atush meine Frau und forderte sie dazu auf nach China zurückzukehren. Es war Klausurenzeit. Meine Frau sagte der Polizei, dass sie ihre Prüfungen antreten wollen würde, bevor sie nach China ginge. Wozu ihr die Polizei ihre Zustimmung gab und zu ihr sagte, dass ihr bei ihrer Rückkehr nichts geschehen würde. Sie wolle nur ein ‚freundliches Gespräch’ mit ihr führen. Ayitila reiste nach dem sie ihre Prüfung abgelegt hatte am 20. Juni 2016 nach China zurück.

 

Während unseres Studiums in Ägypten waren wir in keinerlei anderen Aktivitäten verwickelt. Die uigurischen StudentInnen in Ägypten hatten keinerlei Aktivitäten gegen die chinesische Regierung unternommen. Wir alle nahmen an den Veranstaltungen, welche von der chinesischen Botschaft in Kairo organisiert wurden, teil. Wir wollten alle nach Abschluss unseres Studiums nach China zurückkehren.

 

Ayitila wurde ab Ende 2016 zur Teilnahme an den politischen Indoktrinationskursen gebeten, die das Polizeibüro im Dorf organisierte, welches sich im oberen Atush befindet. Ich weiß nicht genau, wie lange sie an diesen Kursen teilnehmen musste.

 

Meine Freunde, die im Juli 2016 denselben Flug nach China genommen hatten, sagten mir (sie kamen nach den Sommerferien nach Ägypten zurück), dass meine Frau am Flughafen Urumqi festgehalten wurde, weil ihre chinesische ID auf der schwarzen Liste registriert war. Die Versprechungen der Polizei stellten sich als Täuschung heraus. Sie waren Lügen, damit sie in die Falle tappte. In der Tat war sie von der chinesischen Polizei vor ihrer Ankunft in China auf die schwarze Liste gesetzt worden. Sie konnte die Stadt Atush nicht wieder verlassen.

 

Meine Frau erzählte mir, dass sie nach dem Ende des ersten Indoktrinationskurses nicht freigelassen worden sei, da sie ‚ihre Ideologie nicht geändert habe‘.

 

Ayitila war schwanger, als sie 2016 nach China ging. Mein zweiter Sohn wurde im Februar 2017 geboren. Im März 2017 startete die Kampagne ‚Hartes Durchgreifen’ und eine große Anzahl an Uiguren wurde in Konzentrationslager gebracht. 

 

Ayitila blieb von der Haft verschont, da sie gerade unser Kind entbindete. Tragischerweise musste jedoch ihr Vater Saidula Yushan, ein pensionierter Lehrer der Sekundarschule Nr. 2 aus der Stadt Atush, der ein Diabetes-Patient ist, und zehn jahrelang durch die Behandlung mit Insulin überlebte, an ihrer Stelle büßen. 

 

Saidula Yushan war zu der Zeit ebenfalls in einem Krankenhaus unter Behandlung. Er wurde jedoch vom Krankenhaus entlassen, da er sich um meine Frau kümmern sollte, die kurz vor der Entbindung war.

 

Die Polizei verweigerte Saidula später, nach dessen Inhaftierung die Insulinbehandlung. Dies zeigt die Grausamkeit der chinesischen Behörden und ihre Absicht, die Uiguren mit allen Mitteln vernichten zu wollen. Wie konnten sie einem kranken Mann, der viele Jahre für die kommunistische Partei gearbeitet hatte Medikamente vorenthalten, ja gar verweigern? Ich erfuhr auch, dass meinem Schwiegervater erst dann erlaubt wurde einen Arzt aufzusuchen, als er sein Bewusstsein verlor.

 

 

Hidayets Sohn Imran

 

 

Ich hatte nur sehr kurzen Kontakt zu meiner Frau Ayitila. Im Jahr 2017 erzählte mir meine Frau, dass sie seit der Geburt unseres Sohnes nicht mehr ins Lager gebracht worden sei. Jedoch dorthin gebracht werden würde, sobald unser Sohn ein Jahr alt werde. Ich habe ab 2018 den Kontakt zu meiner Frau verloren. 

 

Meine Frau hatte gesundheitliche Probleme, da sie an einer Herzkrankheit litt. 

2011 war sie am Herzen operiert worden. Erfolglos. Ich mache mir um ihre Gesundheit ernsthafte Sorgen. Außerdem, weiß ich gar nichts über das Leben meiner sechsjährigen Tochter Ghufran und meines zweijährigen Sohnes Imran, den ich noch nie gesehen habe.

 

Hidayets Vater, Rouzi Aheniyazi ( rechts)

 

Ich konnte auch meinen Vater Rouzi Aheniyazi, der fast 70 Jahre alt ist, und meinen 40-jährigen Bruder Tuniyazi Rouzi seit 2016 nicht kontaktieren 

 

Beide sind wohnhaft in Nr. 01, Gruppe Nr. 02, Stadt Nr. 20 Dorf Beshtugmen Stadt Aksu: 20 

 

Kürzlich habe ich erfahren, dass mein Vater und mein Bruder seit einigen Jahren nicht mehr zu Hause sind. Die Leute, die mir diese Informationen gaben, konnten nichts über ihren Aufenthalt herausfinden.

 

 

Hidayets Bruder Tuniyazi Rouzi mit seinen Kindern in Urumqi

 

 

Vor kurzem hat der Kongress der USA das Uiguren-Gesetz von 2020 zum Schutz der Menschenrechte verabschiedet. Ende 2019 behauptete Shokrat Zakir, dass 90% der Häftlinge im Konzentrationslager ‚ihren Abschluss gemacht hätten.‘


 Ich habe jedoch keinerlei Zugang zu Informationen über meine Familie. 

 

Ich fordere die chinesischen Behörden dazu auf, mir mitzuteilen, wo meine Familienangehörigen sind. Ich fordere die internationale Gemeinschaft dazu auf, mir zu helfen meine Familie zu retten.“

 

Quelle: Uighur Times

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