Ein uigurischer junger Mann kritisiert die chinesische Regierung im Inland per Videos und verschwindet
Radio Free Asia
18.09.2020
Radio Free Asia
September 18, 2020
Uigur Zeiten
September 30, 2020
Übersetzung aus dem Englischen von Uigur Zeiten
Miradil Hesen zeigt in einer Videoaufnahme im Selfie-Modus, die er in der chinesischen Provinz Jiangsu machte; eine auf Mandalin-Chinesisch verfasste Namensliste seiner Familienmitglieder, die von den Behörden in Xinjiang ins Visier genommen wurden. Das Video wurde am 3. September 2020 auf YouTube veröffentlicht.
Ein junger uigurischer Mann wurde festgenommen nachdem er eine Reihe von Videos im Netz veröffentlichte, in welchen er die chinesischen Behörden für die Menschenrechtsverletzungen an seiner Familie und seinen Landsleuten im unruhigen Xinjiang anprangerte, wo mehr als eine Million Uiguren in Internierungslager eingesperrt sind.
Eine Regierungsbeamtin aus Xinjiang bestätigte dem uigurischen Dienst des Radio Free Asia am Freitag, dass Miradil Hesen in der Jiangsu Provinz, im Osten von China verhaftet wurde, wo Hesen sagte, dass er seit August 2018 gesucht werden würde, weil er Instagram auf sein Mobiltelefon heruntergeladen hätte. Instagram wird im Inland blockiert.
„ Er wurde verhaftet, weil er China willentlich attackierte und dämonisierte… Er hat große Probleme geschaffen,“ erzählte eine weibliche Beamtin der Regierungskommission der Partei im Landkreis Onsu( auf chinesisch Wensu),
der Präfektur Aksu in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang dem RFA.
Seine vorsätzlichen Online-Attacken und seine Gerüchte haben im Landkreis Wensu riesige Wirkung gezeigt.“
In sechs der Videos, die er im Zeitraum vom 2.Sept.- 4.Sept. 2020 auf YouTube hochlud, kritisierte er die Behörden für die Misshandlung seiner Mutter; über die er sagte, dass sie gezwungen worden wäre an sich eine Sterilisation durchführen zu lassen; was zu Gebärmutterkrebs geführt hätte, behauptete er. Und kritisierte sie wegen seines Großvaters, einen Dorfsekretär im Ruhestand, dessen staatliche Rente gestrichen worden wäre.
Seine Kritik enthaltenden Videos wären für die Menschen in Xinjiang, wie aus den RFA-Interviews hervorgeht, zugänglich gewesen.
Für gewöhnlich würden Videos dieser Art prompt von den Behörden entfernt werden. Uiguren im Exil fanden es äußerst bemerkenswert, dass ein Uigure in Chinas Inland in der Lage sei, dies zu filmen und im Anschluss über das Videoportal wie YouTube zu teilen.
Er erschien unordentlich und beunruhigt durch die angebliche Misshandlung seiner Familie und seiner Gemeinschaft. Hesen sagte, dass er von der Universität in Jiangsu graduiert hätte, aber Anfang 2018 dazu gebracht worden wäre nach Hause in die Stadt Aksu zurückzukehren, um sich bei den Behörden zu „registrieren“ als sie seine Eltern unter Druck gesetzt hätten.
Hesen sagt in den Videos während er manchmal Uigurisch, Mandarin- Chinesisch und Englisch spricht, dass er nach Jiangsu geflohen wäre, als er von der Polizei in seinem Viertel Dapsen in Onsu wegen des Herunterladens von Instagram kontaktiert worden war.
„Ihr Bestreben war mich zu verhaften und in ein Internierungslager zu schicken, aber ich floh nach Jiangsu“, sagte er. Es wird geschätzt, dass Behörden bis zu 1.8 Million Uiguren und andere muslimische Minderheiten seit April 2017 in einem gewaltigen Netz von Internierungslagern in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang festhalten würden, für oftmals ähnliche Handlungen, die sie als „extreme“ Anzeichen bezeichnen.
Eine Karte zeigt die Präfektur Aksu in der nordwestchinesischen Uigurischen Autonomen Region Xinjiang.
KRANKENHAUSAUFENTHALT DER MUTTER
In den Videos erwähnt Hesen Details über seine Mutter Tursungul Tohtiniyaz,
über die er behauptet, dass sie nach Komplikationen, die mit der Zwangssterilisation zusammenhängen würden, im Jahr 2017 an einer Onkologischen Klinik eine Krebstherapie ersuchte.
„Ich teile dies heute, um euch über die schlechten Dinge zu informieren, die die KPCh [die Kommunistische Partei Chinas] uigurischen Frauen in Uiguristan antut”, sagte Hesen in einem Video unter Verwendung eines Namens für die angestammte Heimat, die einige Uiguren bevorzugen.
Hesen erörterte auch Familienplanungskampagnen, über die der deutsche Forscher Adrian Zenz in einem Bericht vom Juni sagte, dass sie zu einem dramatischen Anstieg der Zwangssterilisationen und Abtreibungen bei Uiguren in der Region geführt hatte, was darauf hindeute, dass es sich möglicherweise gemäß der UN- Völkermordkonvention um eine von der Regierung geführte Völkermord- Kampagne handele.
Hesen lud sein letztes Video am 4.September auf YouTube hoch und dann wurde es still um ihn, was auf seine Verhaftung hindeutete.
RFA konnte einige Details, die er in seinen Videos nannte verifizieren, nachdem RFA mit mehreren Beamt*innen im Landkreis Onsu gesprochen hatte; einschließlich seine förmliche Beschwerde, die sich gegen den Verwalter des Krankenhauses richtete, wo sie gegen Krebs behandelt wurde.
Der Vorsitzende des World Uyghur Congress in Deutschland, Dolkun Isa sagte, dass er „zutiefst besorgt“ wegen Hesens Festnahme sei, die er mitverfolge. „Wir rufen die chinesische Regierung dazu auf, dass sie ihn umgehend freilassen und ihm Leben und Freiheit garantieren möge.“
„Miradil Hesen riskierte sein Leben und machte eine Online-Zeugenaussage über das unaussprechbare Leid, welches das uigurische Volk, in den letzten Jahren unter Chinas brutaler Herrschaft erfuhr“, sagte Isa.
„Er sprach über die lokalen Behörden, die schreckliche Behandlung seiner Familie und vor allem über die Sterilisation seiner Mutter und den darauffolgenden Krankenhausaufenthalt wegen der Gebärmutterkrebserkrankung.“
FÜR DIE STIMMLOSEN SPRECHEN
Hesen, sei die letzten beiden Jahre als er nach Jiangsu gegangen war obdachlos gewesen und hätte alle Verbindungen zu seinen Familienangehörigen in der Uigurischen Autonomen Region in Xinjiang aus Angst davor gefasst zu werden oder, dass seine Eltern ins Visier gerieten, abgebrochen.
Während noch nicht sofort klar war, weshalb Hesen die Videos drehte, da er sich und seine Familie in große Gefahr brachte, äußerte er dazu „ von Gott Botschaften erhalten zu haben, um für diejenigen zu sprechen, die nicht die Möglichkeit hätten es zu tun und sich nicht mehr länger zurückhalten könne.“
In seinen Videos, in denen han-chinesische Fußgänger an ihm vorbeigingen, bekannte er sich selbst zum Gründer der „ Friedensbewegung Uiguristans“ und wies daraufhin, dass es selten vorkomme, dass sich Angehörige ethnischer Gruppen über den Missstand der Verfolgung äußern würden, der sie im Uigurischen Autonomen Region Xinjiang unter der Politik Pekings ausgesetzt seien. Während er beschrieb wie Uiguren die Diskriminierung und die Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit durch die han-chinesischen Behörden in der Region, ertragen.
Er ging auch ausführlich auf die mehreren härteren Formen der gewaltsamen Unterdrückung ein, die der uigurische Dienst des RFA in seinen Reportagen der letzten Jahre dokumentierte, eingeschlossen der starken Einschränkungen im Bereich der Religion und der Kultur, des Internierungslager-Systems und den Übergang von Inhaftierten in Zwangsarbeitssysteme.
Hesens YouTube-Videos kommen einen Monat, nachdem die BBC das Video eines jungen uigurischen Mannes veröffentlichte, der eine schwere Bestrafung riskierte, als er ein Video von sich selbst in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang aufnahm. Er verschwand später zusammen mit seiner Tante, die das Video außer Landes verschickt hatte.
Das fast fünfminütige Video zeigte Merdan Ghappar, ein 31-jähriges uigurisches Modell des chinesischen Online-Händlers Taobao,wie er unter schmuddeligen Verhältnissen an ein Bett gefesselt war, während zugleich politische Ansagen aus der Lautsprecheranlage dröhnten, die vor seinem vergitterten Fenster angebracht war.
Merdans Videos und mehrere seiner Textnachrichten scheinen einige der besten Beweise für Chinas andauernde Politik der Masseneinkerkerung von Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten zu sein, die im Widerspruch zur Erzählung der Regierung stehen. Nämlich, dass alle Inhaftierten ihre Ausbildung „absolviert“ hätten und die Einrichtung verlassen hätten, die von den Beamten als „Berufsschulen“ bezeichnet würden.
*Reported by Shohret Hoshur for RFA’s Uyghur Service. Translated by Elise Anderson. Written in English by Joshua Lipes.