Unser Interview mit Habibullah Izchi, einem in der Schweiz lebenden uigurischen Journalisten

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Uiguren

1.Könnten Sie sich kurz vorstellen?

Ich bin ein ostturkestanischer Uigure. Ich bin beruflich Journalist wie Sie, und lebe mit meiner Familie in der Schweiz. Einen über mich veröffentlichten Zeitungsbericht hatte ich Ihnen zuvor bereits zugesandt. Ich glaube, dass er dabei behilflich sein könnte mich besser zu verstehen.

 

2.Wissen Sie, was ein Konzentrationslager für ein Ort ist und wie die Uiguren dort leben?

Ich war selbst nie in einem Konzentrationslager inhaftiert, wurde aber unschuldig ins Gefängnis gesteckt. Danach zu urteilen, was aus den Konzentrationslagern frei gekommene Inhaftierte berichtet haben, ähneln sie gewissermaßen dem Gefängnis, in welchem ich selbst war. Deshalb fällt es mir von meiner Warte aus nicht schwer, daraus Schlüsse zu ziehen, dass die darin vorhandenen Bedingungen viel schlimmer sein dürften. Aus meinen eigenen Erlebnissen und Erfahrungen kann ich dennoch ableiten, dass sich viele der Konzentrationslager von den Gefängnissen nicht im geringsten unterscheiden. Es mag sein, dass manche Konzentrationslager unter manchen Umständen, tatsächlich schrecklicher als die Gefängnisse sind. Der einzige  Unterschied, in welchen sie sich jedoch von den Gefängnissen unterscheiden, sind lediglich die Bezeichnungen, die die chinesische Regierung diesen Lagern vergeben hat. Die Ausführungen der zuvor in den Konzentrationslagern inhaftieren Menschen belegen, dass sich darin schlimmere Vergehen als in den Gefängnissen zutragen würden, einschließlich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Abgesehen von den bereits erwähnten Gefängnissen und Konzentrationslagern ist Ostturkestan infolge des chinesischen Überwachungssystems leider zu einem riesigen freien Gefängnis, einem grausamen systematischen Folterzentrum, umgewandelt worden. So, dass bei der Bewertung, der uns verfügbaren Nachrichten über die aktuell beschriebene Situation in Ostturkestan, gemäß der internationalen Auffassung von Grundrechten und -freiheiten deutlich wird, wie die Lebensrealität der Uiguren aus demokratischer und auf westlichen Werten basierenden menschenrechtlicher Sicht, eigentlich unübersehbar einem Freiluftgefängnis entspricht.

 
3. Wie werden die Uiguren seitens der Regierung drangsaliert?

Auf diese Frage würde ich gerne mit dem Erzählen meiner ganz persönlichen kurz gefassten Geschichte eingehen wollen, da ich denke, dass dies genügen sollte.

Als ich im Juni 1996 festgenommen wurde, war ich in das Gefängnis „Dik Kuyu“ der Stadt Ürümchi eingeliefert worden. Nachdem ich hierher gebracht wurde, ließ man mich nackt ausziehen und bis zu meiner Ohnmacht foltern. Jeden Tag musste ich mit gefesselten Händen und Füßen stillstehen und mir wurden sechs bis sieben Stunden lang kaltes Wasser über den Kopf getröpfelt. Während des Verhörs rissen sie mir die Nägel aus und fügten meinem Penis Elektroschocks zu. Erneut verpassten sie mir Stromschläge in nassen Räumen, in welchen ich eingesperrt wurde. Bei knallender Sonne war ich wochenlang mit gefesselten Händen und Füßen zusammen mit einem Hund im Käfig eingesperrt. Man ließ mich hungern und dürsten. Ich sah wie einer weiteren inhaftierten Person, die nebst von mir aufgehängt worden war vor Hunger und Durst die Haare vollkommen ausgefallen waren. Im Gefängnis war ich als einziger Uigure mit 22 chinesischen Inhaftierten gemeinsam in eine Zelle gesperrt worden. Die anderen chinesischen Inhaftierten waren Mörder, Drogenabhängige oder zu lebenslangen Haftstrafen verurteilte oder sonstige Personen, die keine Erwartungen an das Leben mehr hatten. Ich wurde von ihnen ständig geschlagen, körperlich und sexuell malträtiert. 22 chinesische Inhaftierte, die indoktriniert waren, sich selbst aufgegeben hatten und denen es an Menschlichkeit mangelte; und unter ihnen ein uigurischstämmiger politischer Gefangener. Es dürfte ein leichtes sein, sich auszumalen, was diesem Uiguren noch alles widerfahren sollte. Das gehörte zu einer weiteren Foltermethode, die die Polizei praktizierte, um die Geständnisse der Gefangenen zu erzwingen. Während dieser Zeit verging kein einziger Tag, an welchem ich nicht gefoltert wurde. Meine Arme und Beine waren für einen Zeitraum von beinahe sechs Monaten an eine schwere Kette gefesselt, was meine Wirbelsäule und meine Gangart beeinträchtigte. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit Sie persönlich zu treffen, so könnten Sie die Spuren, die ich in meinen Aussagen hinterlasse, selbst sehen. Erneut davon zu erzählen würde in mir vielleicht eine wochenlang andauernde seelische Belastung hervorrufen. Die Dramen, die ich in jeder meiner Erinnerungen durchlaufe, lassen mich tagelang reglos herumsitzen, was mir jedoch immer wieder auf die Beine verhilft ist es den Kampf fortzuführen, nicht zu kapitulieren und China aus von Abscheu verleiteten Gefühlen heraus entgegen zu treten.…

Was die Uiguren betrifft, die sich derzeit in den Lagern befinden, so sind die Bilder, die wir in den Nachrichten gesehen haben nur ein kleiner Teil der Menschen. Die meisten der Menschen, die aus diesen Lagern kommen, sind schwer krank oder tot.

Manchen Uiguren, die immer noch Familienangehörige im Ausland haben, wurden die Organe gestohlen, sie wurden schweren Krankheiten ausgesetzt oder ihrer Unschuld beraubt. Ich kann Ihnen ans Herz legen, den Kontakt zu diesen Zeugen aufzunehmen. Wenn Sie das möchten, könnte ich Ihnen dabei behilflich sein.

 
4.Weshalb waren Sie bereits zuvor verhaftet worden?

Die systematische Unterdrückungspolitik der chinesischen Regierung ist nicht nur ein Problem der heutigen Gegenwart, sondern führt auf eine Politik der Assimilation und Auslöschung zurück, die Geschichte macht. Es hat sie bereits vor und während meiner Geburt gegeben und sie ist immer noch im Gange. Im Jahr 1992 während meiner Gymnasialzeit, brachten wir eine Zeitung mit dem Namen „Tang Nuri“ heraus.

In dieser Zeitung wurde ein Artikel von mir veröffentlicht, in der ich die Assimilationspolitik der chinesischen Regierung hinsichtlich der Kultur, Religion und Geschichte der uigurischen und tibetischen Völker, offen kritisiert und erklärt hatte, dass das kommunistische chinesische Regime auf dem Müllhaufen der Geschichte genau wie Sowjetrussland, verschwinden sollte und jede Nation das Recht auf Selbstbestimmung hätte. Etwas später in den Jahren 1995 und 1996 gaben wir an der Uni freie Meinungszeitungen wie SADA, TANRIDAĞ und AZALIK MAŞELESİ heraus. Ich finanzierte sie und organisierte zudem die dazugehörige Bereitstellung ihrer finanziellen Fördermittel, was zum Haftgrund für mich wurde. Meine Verhaftung führte mich zu einem Wendepunkt in meinem Leben. Nach meiner Freilassung nahm ich privaten Unterricht bei professionellen Historikern und Journalisten und wurde somit entsprechend ausgebildet. Ich bekam die Gelegenheit, Chinas Politik, die von ihm verfolgte Strategie, die Kultur, die Geschichte und die uigurische Folklore unseres Volkes besser kennenzulernen. Einschließlich der ländlichen Gebiete, bereiste ich wiederholt alle Regionen Ostturkestans und lernte die Geschichte meines Volkes, die Tragödien, die es durchlebte, seinen Widerstand und seine Einstellung kennen und dokumentierte sie. Viel später bekam ich deswegen ernsthafte Probleme, da ein Teil davon im Ausland verbreitet wurde. Den anderen Teil meines gesammelten Wissens verbreitete ich selbst nach dem ich ins Ausland gekommen war.

 
5.Haben Sie die Möglichkeit Ihre Familie und Freunde zu besuchen?

Nachdem ich im Jahr 2016 meine Heimat verlassen hatte, hatte ich ab 2017 einige Male zu ihnen Kontakt gehabt, jedoch haben später weder meine Ehefrau, noch ich Kontakt zu unseren Verwandten und Freunden aufnehmen können. Abgesehen von den Informationen, die ich vor zwei Jahren über einen Freund erhalten hatte, gibt es überhaupt keine. Was mit der Mutter meiner Ehefrau, ihren und meinen Geschwistern geschehen ist und wo sie sind, wissen wir nicht. Diese Situation hat uns psychisch sehr zugesetzt und setzt uns noch weiterhin zu. Ganz gleich, welchen Uiguren Sie auch immer fragen würden, er würde Ihnen wahrscheinlich die gleiche Antwort geben.

 

6.Hat dies alles mit Chinas Ein- Kind- Politik zu tun, was denken Sie?

In der traditionellen chinesischen Kultur wird geglaubt, dass die Stammlinie ausstirbt, wenn es keinen männlichen Nachkommen gibt. In dieser Thematik hält die  chinesische Gesellschaft an feudalen Strukturen fest. Es ist für chinesische Familien ein großes Problem keinen Sohn zu haben, aus diesem Grund gibt es in der chinesischen Bevölkerung ein erhebliches geschlechtsspezifisches Ungleichgewicht, das auf die Abtreibungen von Mädchen zurückzuführen ist. Im Gegesatz dazu betrachten wir, Uiguren, da wir Muslime sind und aufgrund unserer uralten kulturellen Traditionen; Junge oder Mädchen als Gottes Segen für den Menschen. Obwohl die Uiguren seit einem Jahrhundert unter chinesischer Besatzung leben, gibt es aus religiösen und kulturellen Gründen keine Eheschließungen mit Chinesen und sie wird nicht akzeptiert. Auch wenn die Uiguren unter der Besatzung einer der bevölkerungsreichsten Nationen wie China leben, sind die Hauptgründe, warum sie nicht assimiliert sind; ihr Glaube, ihre Kultur und ihre Traditionen.

Zum Beispiel assimilierten sich die Mandschu nach 300 jähriger Geschichte, wie sie als Besatzernation über China herrschten und verschwanden. Wiederholt verschwanden viele ethnische Minderheiten im Süden Chinas, sie assimilierten sich durch den Verlust ihrer Sprache. Die Uiguren hingegen glichen sich China seit Ostturkestan zuletzt 1949 vollständig besetzt wurde nicht an, da sie ihre Identität, Kultur und ihren religiösen Glauben bewahrten und somit auch die Kasachen, Kirgisen und andere ethnischen Minderheiten beeinflussten. Aus diesem Grund versucht die chinesische Regierung die Uiguren, indem sie sie in Lager festhält und ihnen ihre Religion, Sprache und Kultur verbietet, gewaltsam zu assimilieren. Unschuldige Kinder werden ihren Eltern und Familien gewaltsam entrissen und nach China transferiert. Männer werden in Gefängnisse gesteckt, schutzlose Frauen und Mädchen werden den chinesischen Männern durch Gewalt, Drohung und Erpressung gefügig gemacht und zur Heirat gezwungen. Im Rahmen ihrer Assimilationspolitik bietet die chinesische Regierung jedem chinesischen Mann, der eine uigurische Frau ehelicht, durch Vergabe von Häusern, Geld und landwirtschaftlichen Flächen Unterstützung und ermutigt die Chinesen darin. Das sind die Verknüpfungen zwischen Chinas Ein-Kind-Politik und dem tragischen Schicksal des uigurischen Volkes.


7. Wird es für die Uiguren ein glückliches Ende geben?

Wir glauben, dass es eine solche Zukunft geben wird. Da das jetzige chinesische Staatssystem nach dem Vorbild des ehemaligen sowjetischen erschaffen wurde und es das letzte kommunistische Regime auf der Welt ist. Die Welt hat längst verstanden, welche Katastrophen durch diktatorische Systeme, in denen eine einzige Person regiert und der Staat nach den Regeln dieser Person konzipiert ist, begünstigt werden. Auch denke ich, dass die Völker der Welt angesichts der Virus-Situation, in der wir jetzt leben, die kommunistische chinesische Regierung als Fluch für die Menschheit erkannt haben. Außerdem gibt es eine starke Gegenreaktion seitens der Welt gegen Chinas Regime hinsichtlich der Sache, dass die uigurische Identität von Auslöschung bedroht ist. Eigentlich steht die Unabhängigkeit Ostturkestans und Tibets für die Gewährleistung des Weltfriedens und ist ein wirksames Mittel, um das aggressive chinesische Regime zum Stillstand zu bringen. Der Begründer der Volksrepublik China Mao Zedong sagte, dass „ die Sowjetunion von heute, das China von morgen“ sei. Wir Uiguren haben uns bislang zu keinem Zeitpunkt unterworfen und unsere Hoffnung nie aufgegeben. Als Nation, die seit jeher frei lebte, glauben wir aufs Unerschütterliche daran, dass wir eine viel glücklichere Zukunft haben werden. Wenn Sie beispielsweise einen Blick auf die uigurischen Namen werfen, werden Sie verstehen, dass die Uiguren niemals ein Teil Chinas waren und als Volk immer, eigenständig und unabhängig existierten.

Hier möchte ich die von den Uiguren in der Geschichte gegründeten Staaten und Reiche und die Jahre, in denen sie regiert haben, aufführen:

 

Das uigurische Reich zwischen 70.000 bis 10.000 v. Chr.

 

Die erste uigurische Dynastie der Karachaniden zwischen 4000 und 1200 vor Chr.

 

In der uigurischen Geschichte, der zweite Karachaniden- Staat „Turan Karachaniden m. B 1200 – m. B 250.“

 

Der Uigurische Staat Kangkil  487-546

 

Der Uigurische Staat Orhun 744-840

 

Der Karachaniden- Staat  840-1212

 

Der Uigurische Kochu Idikut Staat 855-1355

 

Das Uigurische Reich Udun 751 – 1006

 

Das Chaghatai -Khanat 1224-1514

 

Das Mongolische- Khanat 1348-1514

 

Der Uigurische Staat Seidiya 1514-1684

 

Die Epoche Kashgariye  1699-1713

 

Das Reich Baturkhan 1757-1759

 

Die Hodscha Cihangir Monarchie 1826-1827

 

Der Uigurische Staat Kashgar 1864-1877

 

Die Islamische Ostturkestanische Republik und das Islamische Königreich Hotan 1933-1934

 

Die Ostturkestanische Republik  1944-1949

 

8. Gibt es für Sie irgendetwas, was Sie der Welt da draußen sagen oder mit ihr teilen möchten; bestimmte Momente, die Ihnen widerfahren sind?

 

Darauf habe ich bereits auf meine persönliche Lebensgeschichte bezugnehmend, oben geantwortet. Wenn ich die Beachtung der Schweizer Gemeinschaften einschließlich der Europas und der Welt hätte, würde ich folgendes zu ihnen sagen wollen: Es könnte sein, dass Ihnen Ostturkestan wegen seiner Lage, der wirtschaftlichen Beziehungen, des Tourismus und insbesondere wegen der vom chinesischen Regime auferlegten Restriktionen, als zu weit abgelegen vorkommen mag, so als ob es das Land nicht gebe. Jedoch könnte das Schweigen der Welt zum tragischen Schicksal der Uiguren, am Ende auch für die gesamte Menschheit das selbe Schicksal herbeiführen. So denke ich persönlich. Das chinesische Regime, das die Wahrheit über die Uiguren verschleiert während es versucht sie aufs Grausamste systematisch zu vernichten, hat nicht nur Europa, sondern der gesamten Menschheit katastrophales Unheil zugefügt, indem es die Weltöffentlichkeit mit Falschmeldungen und Halbwahrheiten über das Virus in die Irre führte. Auch die Uiguren gehören dieser Menschheit an, und die Schicksale der Völker auf dieser Welt sind voneinander nicht ganz unabhängig. Ich bin der Meinung, dass die Verbreitung des verdammten Virus durch das chinesische Regime erfolgte, so dass dies eine Tragödie großen Ausmaßes für die gesamte Menschheit nach sich zog. Das ist auch die Meinung vieler Experten. Ich sage, es ist notwendig, dass die Weltgemeinschaft die vom Unterdrücker ausgehenden Repressionen gegenüber Menschen, in dem schönen Land, in dem ich gelebt habe nicht schweigend hinnehmen und uns Uiguren, im Überlebenskampf nicht allein lassen dürfe, da China gestoppt werden müsse, bevor es ein weiteres Unheil anrichtet. Denn der Widerstandskampf ist nicht nur unser Kampf, er ist auch euer Kampf, von unserer Existenz hängt, auch eure Existenz ab. In unserem Kampf berühren wir den Kernpunkt, der das Wohlergehen der Menschheit und der Welt betrifft.

 

9.Was möchte die chinesische Regierung mit diesen Lagern erreichen?

 

Der Bau dieser Lager steht im Einklang mit Chinas politischen Zielen. Die Uiguren sind das älteste und stärkste Volk an der Seidenstraße. Im Rahmen des von China zur politischen und wirtschaftlichen Eroberung der Welt entwickelte Projekt „Neue Seidenstraße“ bilden die Gebiete Ostturkestans eine unverzichtbare Grundlage. Chinas Seeverkehrswege können von den Vereinigten Staaten, Taiwan, Japan und anderen Verbündeten leicht kontrolliert werden. Aus diesem Grund benötigt China zur guten Erreichbarkeit seiner Militärstützpunkte und Häfen in Teilen des Indischen Ozeans wie Pakistan und Sri Lanka, die von Ostturkestan nach Gwadar gebaute chinesisch-pakistanische Eisenbahn. Deshalb sieht die Regierung in den Uiguren eine Bedrohung, da sie die eigentlichen rechtmäßigen Besitzer Ostturkestans sind. Denn die Chinesen misstrauen abgesehen von ihrer eigenen, jeder anderen Nation. Deshalb wollen sie dem uigurischen Volk den Willen brechen und sie in die Knie zwingen, um ihre Pläne für das Seidenstraßen-Projekt unbeschwert fortführen zu können, indem sie die in den Uiguren geglaubte Bedrohung beseitigen und sie in den Lagern vernichten.

 
10. Worin liegen die Ursprünge dieser Konflikte?

 

Natürlich gibt es unterschiedliche Ansichten über die Ursprünge der Konflikte, aber die chinesischen Darstellungen sind weit von der Wahrheit entfernt und beruhen auf den üblichen Lügen. Die Ergebnisse, die sich aus den Schriften der Forscher und meinen persönlichen Gedanken und Erfahrungen heraus ergeben, lauten wie folgt:

 

 1. Dieser Konflikt ist ein Krieg, der zwischen dem Kolonisten und der Kolonialisierten, dem Eindringling und den Überfallenen, geführt wird. Es ist der Krieg, der zwischen dem Besatzer und dem ausgebeuteten, unterdrückten Volk geführt wird.

 

 2. Es gibt Gräber, Städte und kulturelle Hinterlassenschaften der Uiguren aus der Stein- und Bronzezeit. Die Uiguren, die seit jeher im Herzen Asiens leben, sind die ursprünglichen Erben dieses Territoriums. 

 

 3. Die chinesische Kultur basiert auf konfuzianischem Gedankengut. Die Grundlage dieser Lehre sind feudale Vorstellungen. Nach den konfuzianischen Lehren traut China keiner menschlichen Gemeinschaft, die nicht die eigene ist. Nach konfuzianischer Auffassung sind alle nicht-chinesischen Menschen, Stämme oder Organisationen wild und haben schlechte Absichten. Daher müssen sie entweder eliminiert oder assimiliert werden. In diesem Sinne hat China eine ähnliche Assimilierungs- und Ausrottungspolitik nicht nur gegenüber Uiguren, sondern auch gegenüber tibetischen, mongolischen und anderen Minderheiten in Südchina betrieben.

 

4. Die Uiguren, die ein solides kulturelles Fundament und einen festen religiösen Glauben haben, haben andere in diesen Gebieten lebende ethnische Gruppen wie die Kasachen und Kirgisen beeinflusst und waren ihnen dabei dienlich, ihre eigene Identität zu wahren. Dass die Uiguren entlang der Gebiete an der Seidenstraße das älteste Volk mit einem hochentwickelten kulturellen und historischen Hintergrund waren, hatte dazu geführt, dass sie im Vergleich zu anderen Gemeinschaften verhältnismäßig besser gebildet waren und mehr intellektuelles Wissen anhäufen konnten. Natürlich hatte man diese von mir erwähnten Punkte als Hindernis für die Assimilation erkannt. Aus diesem Grund wandte man die Politik der Unterdrückung, Isolation, Drohung und Einschüchterung an. China hat den Uiguren nie ein Leben in Frieden gewährleistet, in dem sie sich frei äußern und ihre Grundrechte und -freiheiten ausleben konnten. Mit anderen Worten, dieser Konflikt ist darauf zurückzuführen, dass die chinesische Regierung kein Befürworter von Frieden ist und diejenigen, die nicht zu ihr gehören, nicht tolerieren kann.

 

 
11. Wie sieht das Leben der aus den Lagern freigekommenen Menschen danach aus?

 

In den Nachrichten wird darüber informiert, dass die meisten der aus den Lagern freigekommenen Menschen, entweder ernsthaft erkrankt oder gestorben sind. Familienangehörige einiger Uiguren, deren Organe entnommen und die mit schweren Erkrankungen nach Hause geschickt wurden, könnten mit Ihnen in Kontakt treten.

Nach allem, was ich gesehen und erlebt habe, sind die meisten der aus den Lagern Freigekommenen und die der Folter unterzogen wurden, generell traumatisiert. Zudem lässt die Regierung diese Menschen permanent technologisch und räumlich überwachen. Kurzum stehen diese Menschen unter der Aufsicht der Regierung und auch die Personen im Umfeld solcher Menschen stehen in der Regel unter Bewachung, denn die Regierung beobachtet und verfolgt sie. Demzufolge könnte selbst jemand, der aus dem Lager kerngesund entlassen wird, kein normales Leben führen. Nicht nur diejenigen, die die Lager verlassen, auch ihre Familien, Freunde und Verwandte werden kein normales Leben mehr haben.

 

12. Können die Menschen aus den Lagern ausbrechen, wenn ja, wie?

 

Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist uns kein Fall zu Ohren gekommen, dass jemandem jemals gelungen sei aus dem Lager auszubrechen. In China, insbesondere in einem Gebiet wie Ostturkestan, ist das nahezu unmöglich. Nehmen wir einmal an es wäre einer Person die Flucht aus dem Lager gelungen, so würden in so einem Fall die Familie dieser Person, ihre Freunde und sogar alle Menschen im Umfeld, die zu ihr Kontakt pflegten ins Gefängnis gesteckt. Dies kann ich Ihnen anhand von zwei konkreten Beispielen aus meinem eigenen Leben aufzeigen. Das erste Beispiel: Als ein Haftbefehl gegen mich erlassen wurde, befand ich mich nicht in der Heimat, weshalb mein Vater und mein Bruder ins Gefängnis gesteckt wurden. Das zweite Beispiel: Ich besaß in Ostturkestan eine Teefabrik und ein internationales Unternehmen. Wir hatten über 60 Festangestellte in dieser Fabrik, und da einer unserer Mitarbeiter aus politischen Gründen inhaftiert worden war, standen er und alle Fabrikarbeiter rund um die Uhr unter Beobachtung und Überwachung. Unsere Fabrik wurde vier mal täglich kontrolliert, frühmorgens um 9 Uhr wurden die Ausweise überprüft, und unsere Smartphones und Computer durchforstet. Auf die Sekunde genau kam in Begleitung der Polizei die Spezialeinheit des Staatskomitees und führte die Kontrollen durch. Um 16 Uhr führte sie die Kontrollen erneut durch und zuletzt kam nachts ein Spezialeinsatzkommando, das die Kontrollen wiederholte. Die gleichen Abläufe wurden jeden Tag ohne Unterbrechung fortgesetzt. Es ist ein System, das einem nicht einmal am eigenen Arbeitsplatz, in der eigenen Wohnung oder im eigenen Auto in Ruhe lässt. Es wird niemals jemandem erlauben den hohen Mauern, Stacheldraht und der starken militärischen Überwachung zu entkommen.

 

 13.Wie ist es Ihnen gelungen in einem anderen Land ein neues Leben aufzubauen? Ist das einfach?

Vor allem halte ich mich selbst für einen der glücklichsten Uiguren, da ich in einem Staat leben kann, der mich als Menschen anerkennt, wertschätzt, die  Menschenwürde als Grundrecht achtet und die soziale Ordnung und den Frieden gewährleistet. Manchmal fühlen wir uns ganz klar in Anbetracht dessen, dass Millionen unserer Geschwister, die in den Gebieten, in denen wir geboren und aufgewachsen sind und in Gefängnissen und Konzentrationslagern sitzen, glücklich.

Aber, wir finden keinen Seelenfrieden, unsere Gedanken, Träume und Herzen sind immer dort und bei ihnen. Selbstverständlich ist es nicht einfach ein neues Leben, in einem neuen Land, in einem neuen Umfeld, in einer neuen Sprache und Kultur zu beginnen. Es bedeutet, dass man bei Null anfangen muss. Manchmal habe ich das Gefühl, dass alles nur ein Traum ist. Ich stelle mir vor, dass ich beim Erwachen die Augen öffne und wieder in meine Heimat zurückgekehrt und gemeinsam mit Ehefrau, Geschwistern, Verwandten und Freunden wieder vereint bin, was leider nur ein süßer Traum ist.

 

14. Gibt es noch etwas, was Sie dem Gesagten hinzufügen möchten?

 

Eigentlich haben die Uiguren auch wie die anderen Gemeinschaften der heutigen zivilisierten Welt das Recht dazu einen unabhängigen Staat zu gründen und in Selbstbestimmung zu leben. Und nach all den vielen Konflikten, den Verbrechen, die gegen die Menschlichkeit begangen wurden und dem Völkermord, wäre dies erforderlich. Hoffentlich erheben noch bevor die Uiguren vollständig verschwinden  und als trauriges Kapitel in die Geschichtsbücher eingehen, alle Völker und Nationen dieser Welt ihre Stimme für sie. Sie sollten durch die Verhängung von politischen, wirtschaftlichen und technologischen Sanktionen, versuchen die chinesische Regierung zum Einlenken zu zwingen und die Unabhängigkeitsbestrebungen Ostturkestans unterstützen. Denn die Tragödie in Ostturkestan ist zu einer Tragödie in der heutigen Weltöffentlichkeit geworden. Das durch China getestete biologische Virus, ist heute für die Welt zur Katastrophe geworden. Der wirksamste Weg, China zu beeinflussen, besteht darin, Chinas internationalem Vorgehen Einhalt zu gebieten und seine schädigende Wirkung auf die Menschheit zu verhindern, indem man die Unabhängigkeitsbestrebungen von Tibet und Ostturkestan unterstützt.

Habibullah Izchi

Der uigurische Journalist, Habibullah Izchi, war u.a. für seine regimkritischen Aufzeichnungen und als Oberstufenschüler für die Herausgabe einer Zeitung, die die von China in Ostturkestan verübten Verbrechen des Genozids aufzeigte, in seinem Heimatort zuvor im Gefängnis eingesessen. Bereits Jahrzehnte vor seiner Flucht aus Ostturkestan wurden Izchis Dokumentationen gerne von den uigurischen Diaspora-Gemeinschaften im Ausland verbreitet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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