Habibulla Izchi über Uiguren und Ostturkestan – Eine authentische Stimme und drängende Fragen an einen Überlebenden

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Welchen Namen bevorzugen Sie, wenn Sie über die autonome Region sprechen, Xinjiang oder Ostturkestan? Was ist der Grund für die Wahl des jeweiligen Namens? Welche Hintergründe sowie Bedeutungen sind damit verbunden?

In der Diaspora sagen alle Menschen uigurischer Herkunft „Ostturkestan“. Allerdings wird ihnen in Ostturkestan nicht erlaubt „Ostturkestan“ zu sagen, denn das könnte zu ihrer unmittelbaren Inhaftierung im Gefängnis führen. Wenn Menschen in Ostturkestan miteinander sprechen, sei es unter Familienangehörigen oder Kollegen, sagen sie manchmal „Ostturkestan“, aber nicht in der Öffentlichkeit. Der Name „Xinjiang“ hingegen bedeutet „neue Grenze“, „neue Kolonie“ oder „neues Territorium.“

Haben Sie Informationen darüber, wie viele Menschen derzeit in Lagern interniert sind?

Im Jahr 2014 gründeten engere Freunde von mir und ich in Ürümqi, die Initiative „Wohltätige Geschwister”, um Kinder zu retten, die aus Ostturkestan nach China entführt wurden. Dort wurden sie zu Opfer von organisierter Kriminalität wie des Kinderdiebstahls und der Ausbeutung. Durch unsere Bemühungen konnten wir etwa 300 Kinder befreien und sie an ihre Familien zurückführen. Aufgrund der großen Aufmerksamkeit, die wir erregten, musste die Regierung intervenieren und übernahm die Initiative letztendlich. Während dieser Zeit fand auch unsere Konferenz statt, zu der eine Vielzahl hochrangiger Besucher, Journalisten und anderer Personen anwesend waren. Unter diesen Teilnehmern waren auch Chen Yeguang, der Generalsekretär des Obersten Gerichts der Autonomen Region, und Mijit Nasir, der stellvertretende Stabschef der Regierung der Autonomen Region. Uns war gelungen Beziehungen zu verschiedenen chinesischen Behörden und uigurischstämmigen Menschen zu knüpfen, wodurch wir Informationen erlangten. Darüber hinaus hatten wir eine Gruppe, die berufsbedingte Vorfälle und die politischen Maßnahmen Chinas gegenüber den Uiguren dokumentierte.

Von 2009 bis 2012 waren mehr als 400.000 Uiguren regelmäßig der Kontrolle ihrer Handys und Laptops unterzogen worden, sowohl auf der Straße als auch in ihren eigenen Wohnungen und am Arbeitsplatz. Bis 2012 waren bereits über 400.000 Uiguren im Gefängnis inhaftiert gewesen. Das Ürümqi-Massaker war im Jahr 2009 und hatte zur Inhaftierung von 50.000 Uiguren geführt, während bei den Protesten auf den Straßen über 3000 Menschen ums Leben gekommen waren. Dies alles hatte sich vor 2014 zugetragen. Im Jahr 2016 führten wir eine weitere Konferenz im Rahmen der Initiative „Geschwisterliche Wohltätigkeit durch. Zwischen 2014 und 2016 waren mehr als 700.000 Uiguren inhaftiert worden, zusätzlich zu den bereits von mir erwähnten über 400.000 Uiguren, die von 2009 bis 2014 ins Gefängnis gebracht wurden. Das bedeutet, dass schon vor 2016 über eine Million Uiguren im Gefängnis waren.

Um es anhand eines Beispiels zu verdeutlichen: Ich besaß in meiner Heimatstadt Ürümqi eine kleine Fabrik, ein Unternehmen und da gab es ein junges Mädchen.
In China sind YouTube, WhatsApp, Facebook, Instagram oder Twitter nicht verfügbar, stattdessen gibt es chinesische soziale Medien wie WeChat, QQ und Weibo. Das junge Mädchen wurde für fünf Jahre ins Gefängnis geschickt, weil sie einen eigenen WeChat-Account nutze und darauf ein Profilfoto mit Kopftuch hochgeladen hatte.

Was wissen Sie über die Geburtenkontrolle in Xinjiang/ Ostturkestan?


Mein erstes Kind ist jetzt 17 Jahre alt und mein zweites Kind ist 10 Jahre alt. In Ostturkestan darf ein uigurisches Paar erst drei Jahre nach der Heirat sein erstes Kind bekommen. Erst wenn das erste Kind sechs Jahre alt ist, darf das Paar das zweite Kind kriegen. Diese Regelung wird von der Regierung vorgegeben. Wenn die Leute heiraten und im ersten oder zweiten Jahr ihrer Ehe ein Kind bekommen, müssen sie eine Erklärung unterzeichnen, in der sie bestätigen, dass sie sich auf nur ein Kind beschränken würden. Dann werden sie in der Regel nicht weiter bestraft. Andernfalls würden sie eine schwere Strafe erhalten oder ins Gefängnis gebracht. Meine Schwester hatte bereits zwei Kinder und wünschte sich noch einen Jungen zu bekommen, da sie zwei Mädchen hatte. Als sie schließlich einen Jungen zur Welt brachte, wurden sie und ihr Ehemann hart bestraft. Er wurde ins Gefängnis gebracht, das ist das erste Beispiel.

Ein weiteres Beispiel betrifft meinen Cousin. Er hatte beim Finanzdepartement der autonomen Regierung gearbeitet und war bereits Vater von zwei Kindern, als er und seine Frau ein drittes Kind bekamen. Aus Angst vor den Konsequenzen flohen sie zuerst in die Türkei und dann nach Amerika, da ihnen eine Gefängnisstrafe drohte. Wenn Uiguren zu viele Kinder bekommen, verlieren sie zuerst ihre Arbeit, dann bekommen sie eine Strafe, nicht nur Gefängnis, sondern auch Geldstrafen.

Und das dritte Beispiel betrifft außerdem eine meiner Cousinen, die in Kucha, Ostturkestan lebte. Ich wohnte mit meiner Familie in der Hauptstadt Ürümqi.
Meine Cousine hatte bereits zwei Kinder und sollte ein weiteres Kind bekommen, weshalb sie daher in die Hauptstadt flüchtete. Sie brachte das Kind schließlich in meiner Wohnung auf die Welt. Die Polizei erfuhr von der Situation und griff ein. Meine Cousine wurde gezwungen, nach Kucha zurückzukehren, während das Neugeborene von ihr getrennt und an eine kinderlose Familie übergeben wurde. Dies ist eine traurige Realität, mit der wir in Ostturkestan täglich konfrontiert sind. Menschen in Europa sind oft schockiert, wenn sie von davon hören.

Bei der Geburtenkontrolle spielen viele Aspekte eine Rolle. Die frühere Ein-Kind-Politik führte dazu, dass viele chinesische Familien nur ein Kind oder sogar gar keines hatten. In der chinesischen Kultur ist der Glaube weit darüber verbreitet, dass eine Familie ohne männlichen Nachkommen als minderwertig angesehen wird, was zu einer Bevorzugung von Jungen führte. Die Akzeptanz anderer Kulturen wird in der chinesischen Kultur außerdem oft abgelehnt. (Es gibt eine Neigung, Menschen, die nicht der eigenen Kultur folgen, weniger zu vertrauen. Das kann dazu führen, dass diese entweder assimiliert oder ausgelöscht werden.)

Ist es Ihnen noch möglich, Kontakt zu Menschen in Xinjiang zu haben?

Nein, seit sechs Jahren habe ich keinen Kontakt mehr. Letztes Jahr habe ich einmal versucht Kontakt zu Angehörigen aufzunehmen, aber niemanden telefonisch erreichen können. Ein Mal ging ein Chinese ans Telefon. Ich habe ihn gefragt, wer er sei und ihm gesagt: „Das ist meine Tante“, und dann legte er auf.

Im letzten Jahr haben wir die chinesische Version von TikTok, Douyin, heruntergeladen und nach ihnen gesucht. Leider konnten wir darüber meinen Bruder und meine Schwester nicht finden, aber wir haben eine Verwandtin meiner Frau entdeckt. Sie ist eine Studentin aus Shenzhen in China. Sie hat uns geschrieben, dass in den letzten sechs Jahren vier Onkel und drei Tanten aus unserer Familie verstorben seien, und sechs bis sieben Familienangehörige sich im Gefängnis befänden. Ich hatte nur einmal Kontakt, danach wurde mein Account direkt gesperrt.

Wie ist die Situation der uigurischen Diaspora in der Schweiz?


Vor zwei Jahren hatten meine Frau und ich ein Interview mit dem Landboten. Dabei haben wir betont, dass uns die Schweiz ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. Vor unserer Flucht hatte ich zwei Jahre lang kaum schlafen können. Tagsüber ging ich zur Arbeit in die Fabrik, ins Büro oder in die Firma und abends wurden wir regelmäßig von der Polizei oder dem Nachbarschaftskomitee kontrolliert.

Dieses Komitee setzt sich aus verschiedenen Organisationen wie der Polizei, dem Militär und Gemeindevertretern zusammen. Meine Fabrik wurde täglich viermal kontrolliert. Im Jahr 2016 gab es dort über 3000 Fabriken oder Unternehmen, hauptsächlich in den Bereichen Lebensmittel und Waschmittel. Von den insgesamt 3000 Fabriken waren nur fünf davon uigurische Fabriken, während der Großteil der Fabriken chinesisch war. Unsere Fabrik war auf die Produktion von Tee und verschiedenen Gewürzen spezialisiert. Es gab noch eine weitere uigurische Fabrik, die Waschmittel herstellte, und eine weitere Fabrik, die sich auf Lebensmittel spezialisierte.

Die uigurischen Fabriken wurden täglich viermal einer Kontrolle unterzogen. Diese Kontrollen waren äußerst belastend für uns. Unsere Handys und Computer wurden sowohl morgens, vormittags, nachmittags als auch spätabends bis in die Nacht hinein, gründlich durchsucht. Wenn auf einem Handy ein Foto mit Kopftuch, einem Koran oder arabischen Schriftzeichen entdeckt wurde, hatte dies direkte Konsequenzen und führte zur Verhaftung. Von 2014 bis 2016 wurden meine Firma und meine Fabrik regelmäßig kontrolliert. Ich wartete auf die Abende. Die Ungewissheit darüber, wann sie kamen und wen sie abholten, zerrte an meinen Nerven. Wir lebten unter ständiger Angst. Manchmal blieb uns keine Zeit uns anzuziehen, so dass wir ohne angemessene Kleidung und Schuhe mitgenommen wurden. Aus diesem Grund schliefen wir oft angezogen auf dem Sofa, um jederzeit bereit zu sein. Sie kamen manchmal um zwei oder drei Uhr nachts, manchmal sogar um vier Uhr.

An der Eingangstür befand sich ein QR-Code, den die Polizei regelmäßig gescannt hat. Wenn eine Familie als uigurisch identifiziert wurde, fand eine Kontrolle statt, während chinesische Familien davon nicht betroffen waren. Der QR-Code enthielt Informationen darüber, ob eine Familie uigurisch war und wie viele Personen in der Wohnung lebten. Die Anzahl der Personen wurde überprüft und, wenn sie nicht stimmte oder jemand fehlte oder zu viele anwesend waren, gab es Probleme. Wenn Verwandte oder Kollegen uns besuchen kamen, mussten wir dies der Gemeinde mitteilen. Die Gemeinde informierte dann die Polizei und die vermerkte es in ihrem System. Aufgrund der nächtlichen Kontrollen fühlten wir uns in unserem Zuhause und am Arbeitsplatz wie in einem Freiluftgefängnis, obwohl wir nicht tatsächlich ins Gefängnis gebracht wurden.


Wenn es einen Krieg gibt, verstehen das die Leute, aber in Ostturkestan gibt es keinen Krieg. Warum wissen die Leute nichts über die Konfliktregion?

Von 1949 bis 1980 herrschte in Ostturkestan eine Situation ähnlich der eines Freiluftgefängnisses, in dem umfangreiche Säuberungsaktionen durchgeführt wurden und eine Kulturrevolution ihre Auswirkungen zeigte. Während dieser Zeit war es den Menschen nicht erlaubt ins Ausland zu reisen und auch niemand durfte ins Land kommen. Es gab kein Internet und viele Orte hatten kein Telefon. Erst ab 1980 begann sich die Situation langsam zu ändern. Es wurden Lockerungen eingeführt und später, im Jahr 1990, zerfiel die Sowjetunion. Die Menschen in Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan sprechen eine ähnliche Sprache wie die Uiguren und haben einen ähnlichen kulturellen Hintergrund. Dies machte die Uiguren aus Ostturkestan damals zu wertvollen Vermittlern, da China sie für den Handel mit Zentralasien brauchte. Dadurch wurde den Menschen in diesen Regionen bewusst, dass es die Uiguren gab.

Wenn Journalisten oder ausländische Gäste nach Ostturkestan kommen, werden sie überwacht. Als Uigure habe ich selbst erlebt, dass ich nach einem Gespräch mit einem Menschen aus einem anderen Land am nächsten Morgen von der Polizei aufgesucht wurde. Das ist mir zwei- oder dreimal passiert. Der Ehemann meiner Cousine hat früher eine Reise nach Dubai und in die Türkei unternommen und von dort aus in die Heimat angerufen. Zwei Tage später fragte die Polizei: „Hast du ins Ausland telefoniert ?“ Sie haben alles mitgehört.

Von 2014 bis 2016 arbeitete meine Firma in der Herstellung von Tee und exportierte sie nach Zentralasien. Während dieser Zeit, als wir viele Kunden in Kasachstan und Kirgisistan hatten und täglich Kontakt ins Ausland hatten, war die Polizei auch gekommen. Die Behörden führten eine umfassende Überwachung durch.

Von 2014 bis 2016 haben viele Menschen, einschließlich Ausländer, die Messaging-App WeChat genutzt und es gab einen regen Austausch. Seitdem hat allerdings die staatliche Kontrolle und Überwachung der Kommunikation zugenommen.

In der Schweiz gibt es nur wenige Uiguren, aber die uigurische Diaspora fühlt sich sicher und geschützt. Die Gemeinschaft umfasst über 160 Menschen, darunter auch Familien mit Kindern. In Winterthur gibt es beispielsweise nur eine Familie, während es in Zürich zwei Familien gibt. In jedem Kanton gibt es mindestens eine oder zwei Familien. Viele Uiguren, die in die Schweiz gekommen sind, sind hochqualifiziert und haben einen festen Job oder ein eigenes Unternehmen. Einige von ihnen haben sogar ihre eigene Praxis oder ein eigenes Geschäft. Im Gegensatz zu anderen Einwanderern haben die Uiguren keine Möglichkeit, in ihr Heimatland zurückzukehren. Daher sind sie gezwungen, hart zu arbeiten und sich gut in das Land zu integrieren. Die uigurische Gemeinschaft in der Schweiz besteht aus gut gebildeten Menschen, darunter gibt es Studierende und Gymnasiasten, so wie die Bevölkerung Ostturkestans. In meiner Familie ist meine Frau als Zahnärztin tätig, während ich als Journalist für Radio Free Asia arbeite.



Wie stark spürt die uigurische Bevölkerung im Ausland den langen Arm Chinas? Können Sie uns dazu konkrete Beispiele geben.

Für uns ist es eine schwierige Situation. Achtzig Prozent der Menschen können ihre Familien und Verwandten nicht kontaktieren. Einmal war ich in Graubünden und erhielt einen anonymen Anruf. Am Anfang sprach der Anrufer auf Englisch und fragte „Hallo, hallo, Englisch?“ – Dann wechselte er ins Chinesische und ich verstand, dass der Anruf aus China kam. Danach sprach er uigurisch und sagte: „Unser Arm ist sehr lang“. Wenn ich in einem anderen Land wie der Türkei gewesen wäre, hätte ich sofort aufgelegt. Aber weil ich in der Schweiz war, habe ich ihm meine Meinung gesagt, dann aufgelegt und meine Handynummer gewechselt.

Nachdem wir in den Kanton Zürich gezogen waren, erschien ein Interview mit mir in einer Zeitung, woraufhin ich zwei- oder dreimal von einer chinesischen Studentin verfolgt wurde. Ich ließ sie wissen, dass wir im Falle einer Wiederholung, sie umgehend fotografieren und es der Polizei melden müssten. Beim dritten Vorfall entging es mir beinahe, dass ich es bemerkte. Doch mein Sohn registrierte es sofort. Wir waren gerade dabei, eine Wohnung zu besichtigen, da wir zu dieser Zeit in Zürich auf Wohnungssuche waren. Mein Sohn machte mich darauf aufmerksam: „Diese beiden Personen verfolgen uns, ich habe sie bereits fünf- oder sechsmal gesehen.” Nachdem die beiden Personen auf uns den Anschein erweckten, dass sie uns während der Tramfahrt von der gegenüberliegenden Seite aus wiederholt fotografierten, konfrontierte ich sie mit meiner Fragestellung, ob sie tatsächlich Fotoaufnahmen von uns gemacht hätten. Ich drohte damit, die Polizei einzuschalten. Währenddessen leugneten beide die Vorwürfe während Passanten uns beobachteten und ihre Fragen an uns richteten. Ich erklärte ihnen, dass die beiden Personen Chinesen seien und ich selbst Uigure sei. Dies geschah vor drei Jahren, aber seitdem ist es nicht mehr vorgekommen. Gelegentlich werden wir jedoch bei Demonstrationen immer noch fotografiert.

Was erhoffen sich die Uiguren von der Schweizer Politik?


Obwohl zahlreiche Länder den Völkermord der chinesischen Regierung an den Uiguren anerkannt haben, hat die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität bisher noch keine offizielle Stellungnahme dazu abgegeben. Diese Zurückhaltung der Schweiz ist für mich nachvollziehbar. Dennoch gibt es andere Maßnahmen, die die Schweiz ergreifen könnte, um ihre Unterstützung für die Uiguren zum Ausdruck zu bringen.

Unser Anliegen besteht darin , dass Menschen uigurischer Herkunft die Möglichkeit bekommen, in der Schweiz eine sichere Zuflucht zu finden. Menschen anderer Nationalitäten haben die Möglichkeit direkt in die Schweiz einzureisen und ihre Herkunftsländer zu besuchen, während Uiguren keine Möglichkeit haben, nach Ostturkestan zurückzukehren, da ihnen die grundlegenden Rechte auf Freizügigkeit und Heimatbesuch verwehrt werden. In der Schweiz gibt es verschiedene Arten von Aufenthaltsbewilligungen, jedoch gibt es für Uiguren keine spezifischen Regelungen, die ihnen eine sichere und dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung ermöglichen. Das wäre unser Wunsch an die Schweiz.

Im Gegensatz zur Schweiz haben Länder wie Zentralasien oder die Türkei eine ähnliche politische Ausrichtung wie China. Letztes Jahr wurde in einer türkischen Zeitung ein Artikel veröffentlicht, der besagte, dass in den letzten zwei Jahren über 300 Menschen nach China abgeschoben wurden. Westasien, Thailand oder Malaysia sollen Uiguren in großem Umfang abgeschoben haben, gefolgt von der Türkei. Diese Situation ist äußerst besorgniserregend. Diese Umstände verdeutlichen die schwierige Lage der Uiguren und die Notwendigkeit, ihre Sicherheit und Rechte zu schützen.

In den letzten zwei bis drei Jahren sind etwa 20 bis 30 Uiguren in die Schweiz eingereist. Seitdem ist ihre Zahl mit Kindern und Familien auf über 160 oder 170 angestiegen. Früher mussten Angehörige der uigurischen Gemeinschaft in der Schweiz sehr lange auf eine Aufenthaltsbewilligung warten. Ich bin bereits anerkannt, genauso wie die anderen Mitglieder unserer Gemeinschaft. Allerdings gibt es zum Beispiel in Bülach zwei junge Menschen, deren Vater ein bekannter Schriftsteller ist und derzeit im Gefängnis sitzt. Als sie das letzte Mal zu unserer Festveranstaltung kamen, äußerten die beiden ihre ständige Angst vor der Schweizer Polizei, die sie dazu auffordern könnte, das Land zu verlassen, da sie noch keine Aufenthaltsbewilligung haben. Im Vergleich zu anderen Migrantengruppen kommen uigurische Migranten eher seltener in die Schweiz. Ihre Ankunft beschränkt sich auf ein bis zweimal pro Jahr.

In Deutschkursen oder während anderen Aktivitäten werden wir manchmal gefragt, woher wir kommen. Wenn ich dann sage, dass wir aus Ostturkestan kommen, erhalte ich als Antwort oft: „Ah, Sie sind Türke”. Und ich sage: „Nein. Wir sind Uiguren.“ Wenn wir danach gefragt werden, ob wir Muslime seien, erklären wir, dass Uiguren in der Tat Muslime sind. Ihre religiöse Praxis jedoch sich von anderen muslimischen Gemeinschaften, wie beispielsweise derer im arabischen Raum, unterscheide und unser Volk auch für seine intellektuelle Stärke bekannt sei.

Welche Maßnahmen werden durch die UNO ergriffen, um die Unterdrückung der Uiguren in China anzugehen?

Jedes Mal, wenn die Situation der Uiguren vor die UNO gebracht wird, wird sie von anderen aktuellen Ereignissen der Welt überschattet, wie zum Beispiel derzeit durch die Situation in Israel. Es scheint, dass China aus gegebenem Anlass versucht, das Thema über die Situation der Uiguren von der Tagesordnung zu streichen. Ich weiß, dass China, Russland und Iran in geopolitischen Angelegenheiten eine bedeutende Rolle spielen. Ich habe diese Fragen bereits zuvor gestellt gekriegt und würde Ihnen gerne meinen Artikel darüber nachreichen.


Dürfen die Menschen in Ostturkestan noch Uigurisch sprechen?


In Ostturkestan sprechen die Menschen noch uigurisch. China geht schrittweise vor und führt die Maßnahmen nicht alle auf einmal durch. Zuerst wird etwas verboten, gefolgt vom zweiten und dritten Verbot. In meiner Kindheit wurde bis zum 3. Schuljahr das lateinische Alphabet verwendet. Ab der dritten Klasse wurde die arabische Schrift gelehrt. An der Universität hingegen wird ausschließlich Chinesisch verwendet. Mein Sohn hatte vom Kindergarten bis zur dritten Klasse Chinesisch gelernt. Nun ist es jedoch so, dass der Unterricht vom Kindergarten bis zur Hochschule ausschließlich auf Chinesisch erfolgt und Uigurisch als Unterrichtssprache nicht erlaubt wird.

China beschränkt zunächst bestimmte Aspekte, anstatt alles auf einmal zu verbieten. Dies dient dazu, die Reaktionen der Menschen zu kontrollieren und ihren Widerstand zu minimieren. Am Ende müssen wir jedoch erkennen, dass sie uns alles genommen haben.

Vor der Kulturrevolution und während des Besatzungsbeginns nutzte man für einen Zeitraum von drei Jahren die kyrillische Schrift. Danach erfolgte der Wechsel zur lateinischen Schrift, die 20 jahrelang gebraucht wurde bis schließlich wieder das arabische Alphabet eingeführt wurde. Je nach Generation variiert also, die verwendete Schriftsprache. In der Diaspora verwenden die Uiguren sogar drei verschiedene Alphabete, in Ostturkestan das arabische Alphabet, in Zentralasien das kyrillische Alphabet und in Europa und den USA das lateinische Alphabet.

Was möchten Sie abschließend sagen?

Seit sechs Jahren wissen wir nicht, wo sich die Schwester meiner Frau und ihre beiden Kinder befinden. Im Jahr 2017 haben wir erfahren, dass sie möglicherweise im Gefängnis sind, und seitdem haben wir keine weiteren Informationen erhalten. Zu allem Unglück betrifft diese Situation auch meine eigene Schwester. Ich selbst habe diese Situation überlebt und ich weiß, wie die Menschen dort leben.

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